Rezension Johannes Rösche "Robert Fludd" |
Start/Home | Hermetik | Magie |
Rezension von Dieter Rüggeberg
*
Johannes Rösche -- Robert Fludd
1. Auflage 2008
633 Seiten gebunden
ISBN 978-3-89971-461-6
V&R unipress -- 84,99 Euro
*
Um es vorweg zu nehmen, das Buch ist in jedem Fall lesenswert, gehört es doch zu den wenigen
Büchern, welche das Weltbild von Robert Fludd in deutscher Sprache zu einem großen Teil
offenlegen. Nicht nur die Arbeit an sich ist lobenswert, sondern auch der vom Autor gewählte
einfache Stil der Darstellung, der es auch dem Nichtlateiner erlaubt den ungewohnten Ideen dieses
Weltbildes zu folgen. Die Hinweise zu den Werken von Ficino, Pico de Mirandola, Reuchlin,
Paracelsus, Agrippa von Nettesheim und vielen anderen Autoren beweisen die umfassende Bildung
des Autors in dieser Geistesrichtung.
Besonders anregend fand ich den Untertitel des Buches „Der Versuch einer hermetischen Alternative zur neuzeitlichen Naturwissenschaft“. Es war dieser Untertitel, der mich überhaupt angeregt hat den erheblichen Preis für dieses Buch zu zahlen. Bei diesem Untertitel durfte der Leser mindestens ein Kapitel über die Unterschiede der hermetischen und der naturwissenschaftlichen Erkenntnismethoden erwarten. Leider ist ein solches Kapitel in dem Buch nicht zu finden, was einen erheblichen Mangel darstellt. Aus diesem Grund möchte ich in diesem Zusammenhang kurz auf die wichtigsten Punkte hinweisen.
Aus einer Bemerkung auf Seite 84 muss ich schließen, dass dem Autor neben dem Werk von Joscelyn Godwin über Robert Fludd auch das Werk von Rudolf Steiner bekannt ist, denn es heißt dort: „Für Godwin ist Fludd ein Glied in der Kette christlicher Esoteriker, die von Origines bis zu Emerson und Steiner reiche (379).“ Dies ist für mich deshalb bemerkenswert, weil Rudolf Steiner derjenige Esoteriker ist, der sich in umfassender Weise um erkenntnistheoretische Vergleiche mit den Methoden der Naturwissenschaft bemüht hat, wie z. B. in seinen Werken „Die Philosophie der Freiheit“ von 1894 und „Wahrheit und Wissenschaft“.
Das Werk von J. Godwin beeindruckt insbesondere durch die Fülle der Bilder aus dem Werk von Fludd, die schon für sich selbst auf den magischen Inhalt hinweisen. Da Bilder oft mehr aussagen als seitenlange Beschreibungen, fragt man sich, warum das Werk von Rösche so wenige Bilder enthält. Die Kombination von Bild und Beschreibung fördert doch in erheblichem Maße das Verständnis für das umfangreiche Weltbild von Robert Fludd.
Das erstaunlichste am Werk von R. Fludd ist sicherlich, dass er über die Geheimnisse von Gott und Teufel, Geist und Seele, Leben und Tod, sowie den Himmel und die Hierarchie der Engel mit einer Sicherheit spricht, wie der Naturwissenschaftler über den Aufbau der Tiere, Pflanzen, Atome und Mineralien.
An mehreren Stellen wird von R. Fludd auf „geistige Augen“ hingewiesen, z.B. auf Seite 175: „Die Kenntnis des inneren Menschen ist für Fludd notwendig, da hier ja Gott seinen Geist eingehaucht habe, letztlich also Gott hier wohne und mit geistigen Augen auch erkannt werden könne (753).“ Oder auf Seite 231: „Wenn man mit geistigen Augen die Dinge tiefer betrachte, komme man zu anderen Ergebnissen. Durch die Zuordnung der Gehirns zum empyreischen Himmel, der in der Kosmogenese der erste und Ausgangspunkt für die Schöpfung des ätherischen Himmels war, erscheint das Gehirn als seinem Wesen nach früher als das Herz. Daher kann der Ursprung des menschlichen Lebens nur im Gehirn zu suchen sein (98o) .“
Der Begriff „geistiges Auge“ existiert in der Naturwissenschaft nicht, somit muss in jedem suchenden Menschen zwangsläufig die Frage auftauchen: Was sind geistige Augen? Glücklicherweise ist diese Frage längst beantwortet worden, denn es weiß eigentlich jeder hermetisch gebildete Leser der Gegenwart, dass geistige Augen diejenigen sind, durch die ein Mensch in geistigen und astralen Welten so wahrnehmen kann, wie ein mit gesunden Sinnen ausgestatteter Mensch normalerweise in der physischen Welt wahrnimmt.
Die Methoden zur Entwicklung solcher geistiger Sinne sind seit über 100 Jahren jedem Menschen offen in Büchern zugänglich, von denen hier ein paar genannt werden sollen, Rudolf Steiner „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ von 1904, Karl Brandler-Pracht „Geheime Seelenkräfte“ ca. 1920, Georg Lomer „ Lehrbriefe zur geistigen Selbstschulung“ ca. 1930, Swami Sivananda „Konzentration und Meditation“ und Franz Bardon „Der Weg zum wahren Adepten“ von 1955.
Mit Hinweisen zum Beispiel auf die früheren Darstellungen der geistigen Hierarchie bei Dionysios Areopagita wird der Leser von den entscheidenden Fragen abgelenkt, nämlich:
1. Hat Robert Fludd sein Wissen nur bei anderen Autoren abgeschrieben, oder hat er selbst über eigene Erkenntnisse, also „geistige Augen“, verfügt?
2. Wenn er über geistige Augen zur Wahrnehmung der Himmel und Engel verfügt hat, wie hat er diese geistigen Sinne entwickelt?
3. Sind die Darstellungen über die Himmel, also die geistige Ebenen oder Sphären hinter der physischen Materie, Tatsachen, oder nur reine Phantasiegebilde oder Wahnideen?
Wenn es zu Punkt 1 und 2 positive Antworten gibt, nur dann kann das hermetische Lehrsystem von Robert Fludd eine Alternative zur modernen Naturwissenschaft sein. Sollte jedoch die Lehre von Fludd nur ein Phantasieprodukt sein, dann kann es keine Alternative sein.
Alle der vorgenannten Autoren betrachten die Lehren von der Reinkarnation des menschlichen Geistes in Verbindung mit dem Schicksalsgesetz des Karma als Selbstverständlichkeit. Es wäre doch ein wirklicher Fortschritt, wenn man das Werk von Fludd auf diese Ideen hin untersucht hätte, denn dass solche Ansätze vorhanden sind, darauf hat J. Godwin in seinem Buch über Robert Fludd auf Seite 33 hingewiesen, und auch ein Bemerkung von Rösche auf Seite 178 deutet in diese Richtung: „Fludd befürchtet mit dieser Darstellung in Streit mit den Theologen zu kommen, da zufolge seiner Darstellung die menschliche Seele praeexistent sei und nicht erst mit dem Körper entstehe!“ Über diese Tatsache gibt es eine ausführliche Darstellung bei Rudolf Steiner in dem Buch „Theosophie“. Die Anerkennung der Tatsachen von Reinkarnation und Karma würde der gegenwärtig herrschenden Ethik einen sehr positiven Impuls vermitteln, wenn es denn überhaupt möglich wäre, darüber einen offenen Dialog anzustoßen.
Das Werk von Fludd enthält eine umfassende Engellehre mit vielen Bildbeispielen. Die Engel bewegen sich aber in den geistigen und astralen Sphären oder Himmeln, können somit nur durch geistige Augen wahrgenommen werden. Wie eine moderne Engellehre beschaffen ist, das kann jeder in dem Werk „Die Praxis der magischen Evokation“ von Franz Bardon nachlesen. Dabei hat man den Eindruck, vor einer direkten Fortsetzung der Engellehre von Fludd zu stehen, obwohl das Werk von Franz Bardon bezüglich der Offenbarung der Methoden weit über das von Robert Fludd hinausgeht. Es gab eben um 1600 noch viele Geheimnisse, die nicht veröffentlicht werden durften, wie auf Seite 469 erwähnt: „Wenn etwas an seiner Darstellung dunkel und undurchsichtig sei, liege dies daran, dass in der hermetischen und der pythagoreischen Tradition nicht alle Geheimnisse offen mitgeteilt würden. Aber auch Christus habe ja davor gewarnt, Perlen vor die Säue zu werfen.“ Die Gründe für die genannte Geheimhaltung hat Franz Bardon genannt und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass diese Zeit zu Ende ist.
An vielen Stellen Im Werk von Fludd wird auf die große Bedeutung der Kabbalah hingewiesen. Dass die Kabbalah jene magische Wissenschaft ist, mit der Gott den Kosmos geschaffen hat, das hat Franz Bardon in seinem Werk „Der Schlüssel zur wahren Kabbalah“ ausreichend beschrieben.
Weltanschaulich ist die moderne Naturwissenschaft ein Kind der christlichen Lehren. Die Priester des Christentums behaupten überwiegend, dass es eine Offenbarung geistiger Tatsachen bezüglich Gott, der Welt der Engel und der Ursachen des Kosmos nur bei den alten Propheten gegeben habe, und dass der Mensch seitdem auf den bloßen Glauben angewiesen sei, also in dieser Beziehung in Dummheit verharren müsse.
Über die Ideen der Naturwissenschaftler, die mit der Urknalltheorie und den schwarzen Löchern des Kosmos verbunden werden, kann der moderne Hermetiker nur laut lachen. Denn es ist völlig klar, dass auch der Aufwand von Milliardensummen die Naturwissenschaft bezüglich des Geheimnisses des Lebens und des Kosmos keinen Schritt vorwärts bringen wird.
Die Priester der Naturwissenschaft, sofern sie sich überhaupt mit erkenntnistheoretischen Fragen befassen, haben das Dogma der christlichen Priester insofern übernommen, dass auch sie behaupten, dass der Mensch bezüglich geistiger Erkenntnisse auf den Glauben angewiesen sei. Wie man die Ansichten der Naturwissenschaft widerlegt, darüber gibt es von Rudolf Steiner ausreichend Bücher und Vorträge aus geisteswissenschaftlicher Sicht, die inzwischen über 100 Jahre alt sind. In meinem Buch „Christentum und Atheismus im Vergleich zu Okkultismus und Magie“ habe ich mich insbesondere mit dem Buch „Gott und die moderne Physik“ von Paul Davis befasst, um zu zeigen, dass sich die Argumente der Naturwissenschaft aus der Sicht der Hermetik und Geisteswissenschaft gut widerlegen lassen.
Unter der Voraussetzung, dass die Entwicklung geistiger Sinne für den Menschen möglich ist, stehen die im Werk von Robert Fludd dargestellten Ideen doch mit den Forschungen der Naturwissenschaft gar nicht im Widerspruch, bilden somit nicht nur eine Alternative, sondern eine wirkliche Brücke von der Naturwissenschaft zur Geisteswissenschaft. Diese Brücke wird allerdings nur von solchen Menschen betreten werden, welche die Möglichkeit der Entwicklung geistiger Sinne in ihre philosophischen Betrachtungen einbeziehen können. Ein paar Seiten mit Vergleichen der Methoden der Geisteswissenschaft und der Naturwissenschaft würden das Buch von Rösche um hundert Prozent aufwerten.
Ein Zitat von Rösche aus dem Kapitel „Methoden und Erkenntnistheorie“ von Seite 579 fasst vieles zusammen: „Das menschliche Erkennen selbst im Intellectus schreitet also nach Fludd von den niederen zu den höheren Wahrnehmungsebenen fort. Dabei müssen die Erkenntnisse auf den verschiedenen Wahrnehmungsebenen aber aufeinander beziehbar bleiben. Es gibt keine doppelte oder gar mehrfache Wahrheit.“
Auch eine kleine Liste mit Begriffserklärungen hätte dem Buch gut getan, weil es dann für den nicht akademisch gebildeten Leser noch leichter lesbar geworden wäre. Wenn man sich beispielsweise anschaut, mit wie vielen Bedeutungen das lateinische Wort ‚Spiritus’ belegt ist, dann ist leicht zu erraten, das bei falscher Wortwahl auch eine falsche Erklärung herauskommt.
Bleibt zum Schluss die schicksalhafte Frage: Warum hat der Autor ca. einhundertfünfzig Jahre Fortschritt der hermetischen Wissenschaft einfach ausgeblendet? Diese Ausblendung ist natürlich die beste Voraussetzung dafür, dass ein offener Dialog und Gedankenaustausch über verschiedene Weltanschauungen vermieden wird, nach dem Motto: dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Die Antwort auf die genannte Frage kann wohl kaum im Nichtwissen des Autors liegen, sondern mehr auf jenen politischen Druck hinweisen, der seit einigen Jahrhunderten den Fortschritt der Hermetik verhindern will. Es ist mir aus meinen politischen Studien sehr gut bekannt, welche esoterisch-hermetischen und christlichen Kreise mit aller Macht versuchen, den wahren geistigen und hermetischen Fortschritt der Menschheit zu unterbinden, und sei es mit Hilfe von fünfhundert Atombomben.
*
Wuppertal, 15. Januar 2016
27.01.2016 | Adresse: verlag-dr.de |