G. Scholem:
Zur Kabbalah und Ihrer Symbolik
S. 215: Ähnliches haben wir ja auch in der Überlieferung über die Schöpfung eines Weibes vor Eva, ... So ist nach einem in dieser Form freilich erst im neunten oder zehnten Jahrhunderte bezeugten Midrasch dem Adam zuerst ein Weib aus der Erde (nicht aus der Rippe oder Seite) erschaffen worden. Dies war die Lilith, die aber eine Gleichberechtigung in Anspruch nahm, die dem Herrn der Schöpfung nicht behagte. Argumentierte sie doch: Wir sind beide gleichgestellt, da wir beide von der Erde stammen. Daraufhin stritten sich beide, und Lilith, der das zu bunt wurde, sprach den Gottesnamen aus und flog davon, womit sie eine dämonische Karriere begann. Früher, noch im dritten Jahrhundert, war diese Vorstellung offenbar in etwas anderer Form, ohne Verbindung mit dem dämonischen Motiv der Litlith, bekannt. Hier ist die Rede von der <ersten Eva>, und um den Besitz dieser von Adam unabhängig geschaffenen und mit ihnen daher nicht verwandten Eva sollen sich Kain und Abel gestritten haben, worauf Gott sie wieder zum Staub zurückverwandelte.

Kommentar:
Mein Verdacht, dass es sich bei der Diffamierung der Lilith als Dämonin um eine Priestermeinung handelt wird durch den vorgenannten Text deutlicher. Gesunder Menschenverstand war in vielen Priesterkreisen nie beliebt. Es muss doch jedem denkenden Menschen die Frage kommen: Warum sollte ein guter Gott dem ersten Menschen (Adam) eine Dämonin zur Frau geben? Etwa um das Menschengeschlecht von Anfang an zu verderben? Dann wäre der Schöpfer eben kein guter Gott, sondern ein schlechter, also ein Teufel!
August 2001
Dieter Rüggeberg