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Papus: Wie ich Okkultist wurde.

Sehr geehrte Leser,
der unter dem Pseudonym Papus schreibende Dr. med. Gerard A. V. Encausse war einer der bekanntesten Okkultisten Frankreichs um die Wende des 20. Jahrhunderts. Seine Argumente gegen die materialistische Weltanschauung sind so originell, daß ich sie den Lesern meiner Homepage nicht vorenthalten möchte. Die Qualität der Argumentation der materialistischen Denker hat sich übrigens bis heute nicht geändert.
Mit freundlichem Gruß
Dieter Rüggeberg


Wie ich Okkultist wurde.

Notizen einer intellektuellen Autobiographie.

An Camille Flammarion.

S. 410-418: Viele unabhängige Schriftsteller, einige Philosophen und manche Chronisten haben sich oft gefragt, wie es geschehen konnte, daß junge Leute, in den Grundsätzen der `gesunden VernunftA erzogen, vor `AberglaubenA geschützt, plötzlich diese positiven Lehren verlassen und sich auf `mystischeA Studien stürzen, sich mehr für religiöse und philosophische Probleme als politische Vorgänge interessieren und die Verstiegenheit bis zu Forschungen über die okkulten Wissenschaften und die Magie treiben, Forschungen, die C wenn schon nicht eine völlige Verirrung C so doch mindestens eine gewissen Schwäche der intellektuellen Anlage bekunden.

Diese Bewegung der zeitgenössischen Jugend zum Okkulten hin beunruhigt die ältere Generation und verwirrt ihre Erwartungen. Will man einem alten Parteigänger der materialistischen Lehren, einem Arzt, der in den dem Positivismus teuren Prinzipien erzogen ist, erlauben, einige Züge seiner intellektuellen Entwicklung zu erzählen und zum mindesten einen Fall dieser fremdartigen `mystischenA Vergiftung von ihrem Beginn bis zu ihrer akuten Krise zu zeigen? Wenn sich die Philosophen für dieses Material nicht interessieren, so wird es vielleicht für die Irrenärzte von Nutzen sein; denn man ist ja in gewissen Kreisen übereingekommen, alle Spiritualisten als Degenerierte, wenn nicht gar als Narren zu betrachten.

Es ist das erste Mal, daß ich die Autobiographie meines geistigen Werdeganges in Angriff nehme, und ich werde mir Mühe geben, so knapp als möglich zu sein. Zu allererst erkläre ich meinen Fachgenossen, die vielleicht aufgefordert werden, meine Angaben zu verfolgen, daß ich nie mit Religionslehrern in Berührung stand. Alle meine Studien, von der Volksschule bis zum medizinischen Doktorat, Vorschul-, Untergymnasiumszeugnis und Abiturium inbegriffen, habe ich in weltlichen Anstalten oder im College Rollin absolviert. Man braucht also nicht zu den Lehren der Kindheit zu gehen und von dort eine krankhafte Prädisposition abzuleiten.

I882 begann ich meine Medizinstudien und fand an der Pariser Schule alle wichtigen Lehrkanzeln mit Materialisten besetzt, die die Lehren vortrugen, die ihnen unter der Flagge des Evolutionismus teuer waren.

Ich wurde also ein glühender `EvolutionistA, nahm am materialistischen Glauben teil und förderte ihn nach Kräften.

Es existiert nämlich solch ein materialistischer Glaube, und ich betrachte ihn als notwendig für jedes entwicklungsfähige Gehirn. Der Materialismus, der die Arbeit für die Gesamtheit ohne Hoffnung auf Belohnung lehrt, da es keine andere Unsterblichkeit gebe als die durch die Erinnerung an Persönlichkeit und Wirken, diese Weltanschauung, die das Herz vertrocknet und nur die Hochachtung für die im Kampf ums Dasein Starken predigt, hat dennoch eine mächtige Wirkung auf den Verstand, und das wiegt seine Wirrungen und Gefahren ein wenig auf. Man weiß, welchen Nutzen der Materialismus aus der Lehre von der Entwicklung zu ziehen verstanden hat. Und doch war es das vertiefte Studium der Evolution, das mir die Schwäche des Materialismus und seine Auslegungsirrtümer zeigen sollte.

Man hatte mir gesagt: Die Mineralsalze, die Erde, die von der Pflanzenwurzel langsam zerlegt und assimiliert werden, entwickeln sich und werden Pflanzenzellen. Diese Pflanze wieder, die von den Säften und Fermenten des Tiermagens umgewandelt wird, wird zu Chylus und verwandelt sich in Zellen dieses Tieres.

Nachdenken ließ mich jedoch bald erfassen, daß man bei der Lösung des Problems einen wichtigen Faktor vorgaß. Jawohl, das Mineral entwickelt sich und seine wesentlichen Prinzipien werden die materiellen Elemente der Pflanzenzelle. Aber unter der einen Bedingung, daß die physikalisch-chemischen Kräfte und die Sonne selbst dem Phänomen zu Hilfe kommen, d. h. unter der Bedingung, daß entwicklungsmäßig höhere Kräfte sich für die Entwicklung niederer Kräfte opfern.

Jawohl, die verdaute Pflanze wird zwar die materielle Grundlage einer Tierzelle, aber unter der Bedingung, daß Blut und Nervenkraft (d. h. auf der Stufenleiter der Entwicklung höhere Kräfte) sich für die Entwicklung der Pflanzenzelle und ihre Umwandlung in Chylus opfern.

Kurz, jeder Aufstieg in der Reihe, jede Entwicklung verlangt das Opfer einer oder noch öfters zweier höherer Kräfte. Die Lehre von der Entwicklung ist unvollständig; sie stellt nur eine Seite des Faktums dar und vernachlässigt die andere. Sie rückt das Gesetz vom `Kampf ums DaseinA ins Licht, aber sie vergißt das `Gesetz des OpfersA, das alle Phänomene beherrscht.

Besessen von dieser Idee, die ich zu Tage gefördert hatte und die mir am Herzen lag, beschloß ich, meine Entdeckung nach besten Kräften zu vertiefen, und verbrachte meine Tage in der Nationalbibliothek. Ich blieb den Spitälern fern; ein, zwei Jahre Arbeit hätten es mir ermöglicht, Assistent zu werden und eine vielleicht fruchttragende ärztliche Laufbahn durchzumachen. Ich habe diese Jahre dem Studium der Werke der Alchymisten, der alten magischen Zauberbücher und der Elemente der hebräischen Sprache gewidmet, gerade die Jahre, die meine Kollegen mit dem Studium der Arbeiten der Examinatoren verbrachten, und von diesem Augenblick an war meine Zukunft vorgezeichnet. Jene Entdeckung, für deren Urheber ich mich hielt, fand ich in den Werken von Louis Lucas, in den hermetischen Texten, in den indischen Überlieferungen und in der hebräischen Kabbala wieder. Nur die Sprache war verschieden; wo wir HCI schreiben, zeichneten die Alchymisten einen grünen Löwen, und wo wir die Formel aufstellen:

2 HCI t- Fe = Fe(CI) 2 + 2 H

malten die Alchymisten einen Krieger (Mars, das Eisen), der vom grünen Löwen (der Säure) gefressen wird.

In einigen Monaten war die Lektüre der berüchtigten Zauberbücher für mich ebenso leicht wie die der wesentlich dunkleren Arbeiten unserer zeitgenössischen pedantischen Chemiker, mehr noch, ich lernte die Beherrschung der wunderbaren analogischen Methode, die C bei den modernen Philosophen wenig oder gar nicht bekannt C die Bindung aller Wissenschaften in einer gemeinsamen Methode gestattet und überdies zeigt, daß, kritisch betrachtet, die Alten ganz einfach verleumdet worden sind, als ihnen die in historischen Dingen geradezu unqualifizierbare Ignoranz der heutigen Kathedergötter eine unserer Wissenschaft gegenüber inferiore Stellung zuweisen wollte.

*

Beim Studium der hermetischen Bücher hatte ich die ersten Offenbarungen über die Existenz eines im Menschen tätigen Prinzips, das so leicht alle hypnotischen und spiritistischen Fakten erklärt.

Ich hatte in der klinischen Vorlesung gelernt, daß jede Krankheit einer Zellenschädigung entspreche und keine Funktion ohne Zellarbeit vor sich gehen könne. Alle psychischen Phänomene, alle Fakten des Denkens und Wollens, alle Tatsachen des Gedächtnisses entsprächen einer Arbeit bestimmter Nervenzellen, und die Moral, die Vorstellung von Gott und dem Guten wären mechanisches Produkt der Wirkungen der Vererbung oder der Umgebung auf die Entwicklung der Nervenzellen. Was die sog. `spiritualistischenA Philosophen und die `TheologenA anbelangt, so mußten sie entweder als bar jeder Kenntnis der Anatomie und Physiologie oder als je nach dem Fall mehr oder weniger kranke Narren betrachtet werden. Ein Buch über Psychologie hatte nur dann einigen Wert, wenn es von einem Arzt stammte und wenn dieser Arzt zur Schule der `unterrichtetenA und verständigen Leute gehörte, d. h. zur offiziellen materialistischen Fahne hielt. Den Narren, die noch an die Seele glaubten, sagte man: `Die Seele ist uns noch nie unter unserem Skalpell begegnet!A Das ist in wenigen Worten der Kern der philosophischen Ansichten, die man uns beibrachte.

Nun hatte ich von je den gefährlichen Wahn, eine Idee immer erst nach eigener gründlicher Überprüfung all ihrer Seiten anzunehmen, und so kam ich trotz aller anfänglichen Begeisterung für die Lehren der Schule allmählich dazu. mir einige Zweifel zu erlauben, die ich gern darlegen möchte.

Die Schule lehrte, nichts vollziehe sich ohne die Betätigung um so zahlreicherer Organe, je besser die `Arbeitsteilung im OrganismusA durchgeführt sei. Nun, nach dem Brande des Pariser Krankenhauses hat man Gelähmte, deren Beine atrophiert waren und deren Nerven nicht mehr im Zustande von Organen existierten, ganz plötzlich den Gebrauch der bis dahin nutzlosen Glieder wiedererlangen sehen. Aber das war ja noch ein schwaches Argument.

Die Experimente von Flourens hatten bewiesen, daß unsere Zellen sich alle in einer Zeit erneuern, die beim Menschen drei Jahre nicht überschreitet. Wenn ich einen Freund drei Jahre nach einem früheren Besuch wiedersehe, so gibt es weder in ihm noch in mir auch nur eine einzige der materiellen Zellen, die ehedem vorhanden waren. Und doch sind die F o r m e n des Körpers gewahrt, die Ähnlichkeit, die mir meinen Freund von anderen zu unterscheiden verstattet, existiert immer. Was ist also das Organ, das diese Wahrung der Formen regierte, als kein Organ des Körpers dem Flourensschen Gesetz entging? Dieses Argument ist eins von denen, die mich immer am meisten betroffen gemacht haben. Aber ich mußte noch weiter gehen.

Claude Bernard war beim Studium der Beziehungen zwischen Hirntätigkeit und Gedankenentstehung zur Feststellung gelangt, daß das Auftreten einer Idee immer den Tod einer oder mehrere Nervenzellen hervorruft, so daß diese famosen Nervenzellen, die stets der Wall der Beweisführung der Materialisten waren und noch sind, nach diesen Forschungen ihre wahre Rolle wiederbekommen, die nämlich von Instrumenten und nicht die von schöpferischen Agentien. Die Nervenzelle war das Manifestationsmittel der Idee und erzeugte diese Idee durchaus nicht selbst Eine neue Feststellung stützte noch den Wert dieses Arguments.

Alle Zellen des Menschen werden in einer bestimmten Zeit ersetzt. Wenn ich mich nun einer zehn Jahre zurückliegenden Tatsache erinnere, so ist die Nervenzelle, die seinerzeit das Faktum aufgezeichnet hatte, hundert- oder tausendmal ersetzt. Wie hat sich die Erinnerung an das Faktum unberührt durch diese Hekatombe von Zellen hindurch erhalten? Was wird hier aus der Theorie von der erzeugenden Nervenzelle?

Sind weiters selbst diese Nervenelemente, die man eine solche Rolle bei den Tatsachen der Bewegung spielen läßt, eben bei dieser Bewegung gar so unentbehrlich, wenn uns die Embryologie lehrt, daß jene Gruppe von Embryonalzellen, aus denen später das Herz wird, schon zu einer Zeit rhythmisch schlägt, wo die Nervenelemente des Herzens noch gar nicht gebildet sind?!

Diese auf gut Glück unter einer Unmenge von Tatsachen herausgegriffenen Beispiele hatten mich zu dem Schluß geleitet, daß hier der Materialismus seinen Adepten noch den falschen Weg weist, da er das tote Instrument mit dem effektiven Wirkungsagens verwechselt.

Der Beweis dafür, daß das Nervenzentrum die Idee herstellt C so sagt uns der Materialist C ist die Tatsache, daß jede Verletzung des Nervenzentrums auf die Fakten der Vorstellungsbildung zurückprallt und daß Sie bei eintretender Schädigung Ihrer dritten linken Stirnhirnwindung sprachlos werden, u. zw. sprachlos in einer besonderen Art, entsprechend der Nervenzellengruppe, die von der Läsion betroffen wurde.

Diese Beweisführung ist ganz einfach unsinnig, und um das zu zeigen, wollen wir dieselbe Überlegung auf ein beliebiges Beispiel anwenden, etwa den Telegraphen. Der Beweis dafür, daß der telegraphische Apparat die Depesche produziert, besteht darin, daß jede Beschädigung des telegraphischen Apparats auf die Übermittlung der Depesche zurückprallt, daß also beim Durchschneiden des Telegraphendrahts die Depesche nicht mehr durchgehen kann.

Das ist genau der Wert der materialistischen Argumentation. Sie vergessen den Telegraphisten oder wollen von seinem Vorhandensein nichts wissen. Das Gehirn hat für ein in uns existentes spirituelles Prinzip lediglich den Wert des Übertragungsapparates in der telegraphischen Anlage. Der Vergleich ist alt, aber immer vorzüglich.

Der Materialist wird uns sagen: `Nehmen wir an, der Telegraphist existiere nicht, und überlegen wir, wie wenn er nicht existierte.A Dann stellt er eine dogmatische Behauptung auf: `Der telegraphische Übermittler geht ganz von selbst und bringt die Depesche nach einer Reihe von mechanischen Bewegungen hervor, deren Urheber die Reflexe sind.A Ist das einmal angenommen, so geht auch alles andere `ganz von selbstA. Der Materialist schließt also fröhlich, es gebe keine Seele, das Gehirn produziere aus sich heraus Ideen, wie der telegraphische Apparat Depeschen produziert. Wehe dem, der an diese Beweisführung zu rühren wagt! Sie ist ein positivistisches Dogma, das ebenso fanatisch gelehrt und verteidigt wird wie ein Dogma der Religion.

Ich weiß, was es mich gekostet hat, die Nichtigkeit derartiger Argumentation aufzudecken! Man hat mich der Gaukelei angeklagt, weil man vorausgesetzt hat, daß ein Materialist, der `MystikerA wurde, nur ein Gaukler C oder ein Verrückter C sein könne. Vielen Dank meinen Gegnern, daß sie wenigstens noch den ersteren Ausdruck gewählt haben! Doch gehen wir weiter!

Ebenso, wie wir feststellen können, daß die materiellen Zellen des Körpers einfach die Werkzeuge von irgend etwas sind, was die Formen des Körpers über allen Zerfall dieser Zellen hinaus bewahrt, ebenso können wir sehen, daß die Nervenzellen nur Werkzeuge eines Etwas sind, das diese Zentren als Betätigungs- oder Empfangsinstrumente benutzt.

Der mit seinem Skalpell bewaffnete Anatom wird beim Sezieren einer Leiche ebensowenig die Seele entdecken wie der mit seinen Kneipzangen bewaffnete Arbeiter nicht den Telegraphisten, wenn er den Telegraphenapparat, oder den Pianisten entdecken wird, wenn er das Klavier abmontiert. Es ist, denke ich, überflüssig, noch weiter die Hohlheit der Beweisführung zu demonstrieren, die die nur so genannten positivistischen Philosophen ihren Gegnern immer entgegenhalten.

Bevor ich diese Zeilen schließe, möchte ich die Aufmerksamkeit nur noch auf zwei Tricks lenken, deren sich die Materialisten in den Diskussionen und gemeinhin immer dann bedienen, wenn sie sich ihren Gegnern unterlegen fühlen.

Der erste Trick ist der `des Hinweises auf die Spezialwissenschaften und die weniger bekannten AbhandlungenA, die man sich als dem naiven Gegner unbekannt denkt. `Wie, Herr Papus, Sie wagen über Hirnfunktionen zu sprechen und wissen nicht von der Kristallographie?!A `Sie wagen diese Frage zu behandeln und haben nicht den letzten Aufsatz des Herrn Zipfelhuber über die Hirnfunktionen des Menschen der Tertiärzeit und des Rotfisches gelesen?! Gehen Sie in die Schule, mein Herr, und unterhalten Sie sich mit mir erst wieder, bis Sie die Elementarbegriffe der von Ihnen angeschnittenen Frage ,können'!A

Diejenigen, die uns diese Faseleien vorhalten, sind im allgemeinen glänzende Schüler der medizinischen Fakultät, die C zum Staunen! C von der Psychologie und Philosophie wenn schon nichts anderes mehr, so doch noch immer den Namen kennen!...

Der zweite Trick besteht darin, uns unter der Lächerlichkeit zu zermalmen, weil wir die Kühnheit besitzen, eine Meinung zu haben, die das Gegenteil von der des Herrn X ist, der einen höheren Titel trägt als wir. `Wie, Sie sind nur ein einfacher Doktor der Medizin und wollen sich auf einen Zusammenstoß mit den Ansichten des a. o. Professors, Herrn 0., oder des berühmten Professors Z. einlassen?! Werden Sie zuerst, was diese Herren sind, und dann wollen wir weiter sehen!A

All das sind falsche, aber so oft verwendete Ausflüchte, daß man sie auch einem Brunetiere vorhielt, der das Wort `WissenschaftA auszusprechen wagte, wiewohl er nicht einmal Arzt war.... Schrecklich!!!! Wenn man aber schon Arzt ist, muß man a. o. Professor sein, und wenn man a. o. Professor ist, muß man o. ö. Professor sein, und wenn man o. ö. Professor ist, muß man zum Institut de France gehören, und wenn endlich ein Mitglied der Akademie der Wissenschaften seinen Glauben an Gott und die Unsterblichkeit der Seele zu versichern wagt, wie es Pasteur getan hat, so sagt man dann, er sei betagt und die Hirnerweichung erkläre solche Lehren.

Das etwa sind die üblichen Ausflüchte der Materialisten, die man nur zu kennen braucht. um sie auf ihren richtigen Wert zu bringen.

Es geht nicht immer an, zu sagen, der Glaube sei eine besondere, nur wenigen Naturen verliehene Gnade. Ich bin nach dem, was ich meine persönliche Entwicklung nennen möchte, der festen Überzeugung daß man den Glauben wie alles andere durch Studium erwirbt.

Trotz alledem hat die materialistische Impfung eine große Bedeutung: sie erlaubt tatsächlich, an die Psychologie und die Seelenprobleme auf der Basis der Physiologie heranzutreten, und verleiht damit der Lehre von den drei Prinzipien des Menschen und dem, was man in der Geschichte der Philosophie die Theorie vom plastischen Vermittler nennt, sogar eine sehr große Bedeutung.

Diese Theorie nimmt zwischen physischem Körper und Anatomie einerseits und unsterblichem Geist und Psychologie andererseits ein Mittelprinzip an, das mit der Sicherstellung der Beziehungen der beiden Extreme beauftragt ist und ins Bereich der Physiologie gehört.

Dieses Prinzip, das heute unter dem Namen `das organische LebenA bekannt ist und seine Wirkung durch Vermittlung des Nervus sympathicus ausschließlich auf die Organe mit glatter Muskelfaser ausübt, besitzt meiner Ansicht nach eine genau definierte Existenz und gehört in keiner Weise zu metaphysischen Deduktionen. Die alten Hermetisten nannten es den formenden oder den Astralkörper und schrieben ihm Wahrung und Unterhalt der Formen des Organismus zu. Nun, ich kann sagen, daß das Studium des Astralkörpers, das ich seit gut zehn Jahren verfolge, es mir ermöglicht hat, eine sehr wissenschaftliche Erklärung der fremdartigen hypnotischen und spiritistischen Phänomene aufzustellen, die in unseren Tagen die Herren der Lehrkanzeln so sehr in Aufregung, nein: aus dem Gleichgewicht bringen. Mehr noch, eine ernste Prüfung aller zur Erklärung dieser Fakten gebotenen Theorien erlaubt mir die Behauptung, daß die des Hermetismus über die Konstitution des Menschen, eine Theorie, die seit der I8. ägyptischen Dynastie, d. h. seit 36 Jahrhunderten, keine Wandlung erfahren hat, die einzige ist, die in logischer und zufriedenstellender Weise allen beobachteten Fakten Rechnung trägt. Man kann mit ihr auch an das Studium des Problems des Todes und der Postexistenz der Persönlichkeit herantreten, und dieses Studium muß doch wohl ein gewisses Interesse bieten, weil viele der `jungenA Zeitgenossen, die zur intellektuellen Klasse gehören, diese Untersuchungen den Lächerlichkeiten der Politik und der Parteikämpfe vorziehen.

Ein andermal werde ich vielleicht von meinem esoterischen Wege sprechen. Für den Augenblick habe ich einfach die exoterisch verfolgte Richtung von meinen materialistischen Überzeugungen an bis zu meinen gegenwärtigen okkulten Studien zeigen wollen.

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Quelle: Papus: Die Grundlagen der okkulten Wissenschaft (1996 Verlag Richard Schikowski, Berlin)

 

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