Kabbalah+Tantra

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Franz Bardon

 

 

 

Franz Bardon
Der Schlüssel zur wahren Kabbalah

 


Sehr geehrte Geistesfreunde,
es gibt kaum ein Gebiet der östlichen Geisteswissenschaft, über das hier im Westen so viel Unsinn erzählt wird, wie über den Tantrismus. Es gibt leider auch nur wenige Bücher, die den Kern dieser hohen Wissenschaft in seiner Reinheit darstellen. Die Werke von Arthur Avalaon (Sir John Woodroffe) "Die Schlangenkraft" und "Shakti und Shakta" gehören in dieser Beziehung zu den besten Studienobjekten auf diesem Gebiet. Wegen der vielen Sanskritausdrücke leider recht schwer zu lesen, aber wer die Mühe nicht scheut, wird sicher viel Gewinn daraus ziehen. Der hohe Wert des Tantrismus wird besonders deutlich, wenn man seine Analogie zur Kabbalah ins Auge faßt. Aus diesem Grund habe ich unten ein paar Sätze dazu von Franz Bardon zitiert.
Wuppertal, 19. September 2001
Dieter Rüggeberg


Seite 51: Die Tantras

Was ein Abendländer unter Kabbalah versteht, ist für den Orientalen, namentlich für einen Inder, Tibetaner usw. die Tantra-Wissenschaft. Diese kann ein Mensch der weißen Rasse nur dann vollends begreifen, wenn er sich die orientalische Denkungs- und Handlungsweise gänzlich angeeignet hat, was ihm jedoch nur in den seltensten Fällen glückt. Die Eingeweihten des Orients hüten nämlich fürsorglich ihre Geheimnisse und sind den weißrassigen Menschen gegenüber sehr verschlossen. Wenn ein Zusammenkommen mit einem Eingeweihten dennoch ab und zu zustandekommt, dann schweigt gewöhnlich der Eingeweihte über seine Geheimnisse oder er äußert sich höchstens nur in Symbolen oder er macht hie und da einen kleinen Hinweis. Ein Ankhur oder sogar ein Abhisheka als Abendländer von einem Eingeweihten des Orientes zu bekommen ist eine Seltenheit. Eher ist die Yoga-Wissenschaft ohne Rücksicht auf die einzelnen Yoga-Arten und -Systeme im Laufe der Zeiten der weißen Rasse zugänglich geworden, als die Kenntnis über die Tantras. Namentlich ihre praktische Anwendung wird von den Eingeweihten sehr streng gehütet, da ja Tantra-Yoga das geheimste Wissen ist und in verschiedenen Klöstern, den sogenannten Ashrams, nur in Manuskriptform wie ein Heiligtum gehalten wird. Tausende von Tantra-Schriften haben sich mit der Zeit in den einzelnen Klöstern angehäuft. Dem Schüler werden sie aber nur nach schweren Reifeprüfungen vereinzelt zugänglich gemacht.

Da ich in diesem Werk die praktische Kabbalah beschreibe und aus technischen Gründen nicht die Möglichkeit besteht, daß ich auch noch die Tantra-Wissenschaft eingehender behandele, so erwähne ich über letztere nur einige Hauptpunkte. Ein erfahrener Kabbalist wird - falls ihn die Tantra-Wissenschaft ganz besonders interessieren sollte - auf Grund der Analogiegesetze und des tetragrammatonischen Schlüssels auch in der orientalischen Tantristik praktische Erfolge erreichen können. Grundbedingung ist das Studium der Tantra-Wissenschaft jedoch nicht und wenn ihm die orientalische Denkungsweise in bezug auf die Religion, Weltanschauung usw. fremd sein sollte, so wird er auch der Tantristik keine besondere Aufmerksamkeit schenken. Was schließlich der Tantriker durch seine Tantras erreichen kann, gewinnt der erfahrene Kabbalist durch den Gebrauch der Kabbalah. Unterschiede gibt es hierin keine.

Zu bemerken wäre noch, daß die orientalische und insbesondere die buddhistische Tantraschule, z. B. in Tibet, beim Gebrauch der Tantras den tetragrammatonischen Schlüssel anwendet. Der vierpolige Magnet, wie ich ihn beschrieben habe, kommt auch dort zur Anwendung. Die fünf zu verehrenden Dhyani-Buddhas sind nichts anderes als Beziehungen zu den fünf Elementen und ihren Prinzipien. Dem buddhistischen Tantriker, der sein Mandala stellt und mit demselben tantrisch arbeitet, ist bekannt, daß jede Gottheit, d. h. jedes Dhyana-Buddha-Symbol ein Element darstellt, aber auch eine abstrakte göttliche Idee oder sogar mehrere Ideen den Elementen entsprechend vertritt. Jedes Element hat in der tantrischen Schule eine bestimmte tantrische Formel, die dem Tantriker beim Arbeiten mit Elementen verständlich ist. In der buddhistischen Schule ist das Vairocana-Mantra (a-va-ra-ha-kha) vierpolig, also tetragrammatonisch.

A wird dort der Erde,
Va dem Wasser,
Ra dem Feuer,
Ha der Luft und
Kha dem Äther zugeschrieben.

In der indischen Tantristik haben die Elemente folgende tantrische Formeln:

Lam = Erde
Vam = Wasser
Pam = Luft
Ram = Feuer
und Ham = Akasha

Ein universales Tantra vierpolig in allen Ebenen und Sphären praktisch zu gebrauchen lernt der Tantra-Schüler von einem erfahrenen Tantra-Guru. Nur ein solcher Guru ist in der Lage, dem Schüler das wahre Abhisheka, d. h. die wahre Einweihung hierin zu erteilen.

Um die Beschreibung der kabbalistischen Lehre nicht zu kürzen, muß ich von einer ausführlichen Erklärung eines Abhishekas im Tantra-Yoga absehen. Der Kabbalist sieht schließlich aus allen Angaben, daß der tetragrammatonische Schlüssel überall, selbst in den geheimsten Mysterien eine wichtige Rolle spielt, daß er ferner bei allen Systemen angewendet wird und demnach der absolute Schlüssel zur wahren Verwirklichung ist.

In der indischen Lehre werden die Elemente durch Gottheiten symbolisiert. Auch die Göttinnen Maha-Swari, Maha-Kali, Maha-Lakshmi und Maha-Saraswati sind universale abstrakte Ideensymbole, die sich in gewisser Hinsicht auf die Elemente beziehen. Über die einzelnen Symbole der verschiedenen Gottheiten in bezug auf den tetragrammatonischen Schlüssel findet der sich hierfür interessierende Kabbalist Näheres in jedem Buch über orientalische Ikonographie. Die Tantras sind also dasselbe wie die Kabbalah, d. h., der praktische Gebrauch der Buchstaben, ihrer Gesetze und Entsprechungen in bezug auf die verschiedenen Ebenen. Ebenso wie die Kabbalah hat auch der Tantra-Yoga einfache und zusammengesetzte Tantras, die mit Rücksicht auf die Ursache und Wirkung in allen Ebenen gebraucht und praktisch angewendet werden.

Auch bei den Tantras gibt es Formeln, die für geistige, astrale und grobmaterielle Kräfte, für Ursachen oder andere magische Arbeiten verwendet werden. Einzelheiten darüber zu sagen würde den Rahmen meines Buches überschreiten. Auch jeder wahre Name eines höheren Wesens, einer Gottheit usw. hat mit Rücksicht auf die Eigenschaften, Ideen und Wirkungen seine tantrische oder kabbalistische Entsprechung und wird zumeist durch das Bild der Gottheit symbolisch ausgedrückt. Darum findet man z. B., daß manche Göttinnen mehrere Hände haben und in jeder Hand die symbolische Darstellung einer Eigenschaft halten. So z. B. hat die Göttin Maha-Lakshmi vier Hände und das, was sie in jeder Hand hält, drückt eine ihr zusagende Idee aus. In der einen rechten Hand hält sie die Lotosblüte als Symbol der Reinheit, Schönheit, der Liebe und des göttlichen Wissens. Die vordere rechte Hand weist auf eine segnende Geste hin, als Zeichen des Schutzes, aber gleichzeitig auch des Willens und der Macht. In der einen linken Hand hält sie ein Bündel Ähren, womit die Idee des Überflusses zum Ausdruck gebracht wird. In der vierten Hand hält sie einen Geldbeutel, welcher symbolisch die Idee des Reichtums und des Wohlstandes anzeigt. Der tantrische Name einer jeden Gottheit wird nur von einem wahren Guru durch das Abhisheka dem Tantra-Lehrling unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt. Der Tantra-Übende kann sich dann mit Hilfe der Tantras mit der auserwählten Gottheit verbinden und mit den ihr zugesprochenen Kräften praktisch arbeiten.

Die Tantra-Übungen müssen, falls sie die wahre magische Kraft haben sollen, jahrelang betrieben werden, bis schließlich der Schüler in der Lage ist, das Tantra richtig praktisch anzuwenden, um die gewünschten magischen Wirkungen auszulösen.

Im ganzen Orient gibt es nur sehr wenige in die Tantra-Wissenschaft völlig eingeweihte Yogis. Dafür wird aber viel Mystizismus und Unfug mit den Tantras getrieben. Nur ein in den Tantra-Yoga Eingeweihter kann dem Schüler ein Tantra richtig erklären, indem er ihm sämtliche Entsprechungen der bestimmten Ideen genau bekannt gibt und ihn das Tantra allmählich mit dem vollen Geistbewußtsein richtig auszusprechen lehrt. Er bringt dem Schüler dasselbe bei, was auch ein Kabbalist tun muß, nämlich das Tantra vierpolig zu gebrauchen.

Jeder Tantriker, ohne Unterschied, ob es sich um einen Orientalen oder um einen Abendländer handelt, muß es verstehen, mit den vier Grundeigenschaften des Geistes, also mit dem Willen, dem Intellekt, dem Gefühl und dem Bewußtsein - Bewußtwerden der entsprechenden Idee - das Tantra auszusprechen. Wie es in kabbalistischer Form von einem Menschen, der nicht der orientalischen Religion und Weltanschauung angehört, ausgesprochen werden muß, lehren eingehend die Methoden des vorliegenden Werkes.

Im Orient wird die Leichtgläubigkeit der Menschen, die ohnehin stark religiös veranlagt sind, sehr oft mißbraucht, und es gibt dort viele sogenannte Meister, die sich als Tantriker oder Yogis ausgeben, in Wirklichkeit aber keine blasse Ahnung von den wahren Gesetzen und Entsprechungen haben und dieses so hohe Wissen für persönliche Zwecke entweihen. So mancher Europäer hat infolge eines solchen Mystizismus die gröbsten Fehler dadurch begangen, daß er alles buchstäblich auffaßte, was nur symbolisch zu verstehen war. Wurden dann jene nur symbolisch aufzufassenden Anleitungen des Orientes in irgendeine intellektuelle Sprache ohne Kommentare und ohne Abhisheka übertragen, sind große Fehler entstanden, ganz abgesehen von all dem Unfug, welcher mit der hermetischen Wissenschaft im Laufe der Zeiten getrieben wurde. Die wahren orientalischen Schriften warnen daher mit Recht jeden Schüler davor, den Weg der geistigen Entwicklung nicht ohne einen Guru zu gehen, da nur ein wahrer Guru in der Lage ist, den geheimen Sinn der Yoga-Systeme und der tantrischen Methoden dem Schüler erklärlich zu machen.


19.11.2015

 

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